Leseprobe 295 Wörter
8 Monate bis...
Eigentlich ist es Routine, dass Beas Neurologe sich von Zeit zu Zeit meldet, wenn wieder eine neue Krankheit entdeckt wurde, die eventuell auch auf Beas Symptome passen könnte.
Eine genaue Diagnose ist nach acht Jahren für uns zunehmend bedeutungslos geworden, solange sie nicht therapierelevant ist, also durch eine Änderung der Medikamente, eine Spezialdiät oder Behandlung tatsächlich zu einer Besserung ihrer Situation führen würde.
Doch dieses Mal ist alles anders und Bea ist gar nicht betroffen: Zwei neue Gendefekte wurden entdeckt und deren Symptome passen wieder einmal zur Hälfte perfekt auf Bea.
Eigentlich waren wir recht sicher, dass alle genetischen Ursachen ausgeschlossen worden waren, bevor wir die Entscheidung getroffen hatten, ihre Schwester zu bekommen. Jetzt stellt sich heraus, dass der gesunde kleine Zwerg möglicherweise ein glücklicher Zufallstreffer war und das Risiko einer Behinderung doch vorhanden ist. Ein Risiko - so waren und sind wir uns einig - das wir nicht eingehen wollten.
Der Schreck sitzt tief, quasi genetisches russisches Roulette mit einem Menschen-, einem Kinderleben gespielt zu haben, dass es nicht beabsichtigt war und wir im besten Wissen und Glauben gehandelt hatten, macht die Sache auch nicht besser.
Jetzt ist es ohnehin zu spät: Ihre Schwester ist längst geboren und gesund. Es war Glück, dass alles gut gegangen ist und wir sind wirklich dankbar dafür. Wir wollen kein zweites behindertes Kind, denn wir sind nicht sicher, ob wir noch einmal die Kraft aufbringen können, die in den letzten mehr als zehn Jahren notwendig war.
Wäre es dennoch passiert - hätten wir damit leben müssen und hätten dies vermutlich auch getan, denn eines haben uns die vergangenen Jahre gelehrt: Immer, wenn Du glaubst, dass es nicht weitergeht, dass Du an etwas zerbrichst, findest Du am Ende doch irgendwo die Kraft, um die Probleme durchzustehen.