Baumbeobachtung

Wann hast Du zum letzten Mal einen Baum angeschaut? Dir Zeit genommen für die Astgabeln, die Struktur, die Farben, die Geschichten.

Ich sitze auf der Terrasse unseres Urlaubshotels. Vor der Terrasse wächst ein einsamer Baum am Seeufer. Ist sitze hier und beschließe, diesen Baum anzuschauen. Er steht seit vielen Jahren dort und ich habe ihn schon oft wahrgenommen, aber nie bewusst gesehen. Er ist nur einer von Millionen Bäumen in Deutschland, der wächst und irgendwann gefällt wird - vom Menschen oder den Naturkräften.

Jetzt sitze ich hier, habe die Brille abgenommen um meine Augen vom Bildschirmalltag mit etwas Fernsicht und Natur zu entspannen und beobachte diesen Baum.

Recht früh hat sich sein Stamm in zwei aufgeteilt und etwa auf meiner Höhe im 1. Stock erneut. So sieht es aus, als würden vor mit drei Stämme in einer engen Gruppe wachsen. So wie Teenager, die zusammen stehen und die Welt sichtbar in ihre Clique und alles Außenstehende einteilen.

Ich verfolge die Astgabeln, die Krone, die Blätter. Der Herbst hat deutliche Spuren im Grün hinterlassen. Der Wald im Hintergrund am anderen Seeufer ist deutlich bunter als mein Baum.

Ich nehme mir die Zeit für diesen Baum und missbrauchen ihn dabei für meine egoistischen Zwecke: Entschleunigung. Raus aus meinem hektischen, eng getakteten Arbeitstag. Den Urlaub genießen in dem ich nichts plane, sondern einfach spontan mache, wozu ich Lust habe.

Jetzt gerade, in dem ich einen Baum beobachte.

Keine Entscheidungen, nicht einmal Routine. Nicht einmal Nachrichten, Messenger oder E-Mails. Ausnahmsweise bin ich nicht erreichbar, nicht einmal telefonisch. Vielleicht einmal täglich der Blick, ob die Welt untergeht und etwas tatsächlich sofortige Aufmerksamkeit benötigt. Ein bewusstes Offline Leben bis die Abreise wieder ansteht.

Wir alle sollten uns öfter die Zeit nehmen, einfach nur einen Baum zu beobachten. Er wird es uns nicht übel nehmen.