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Dann geh doch und mach's besser

Eine der Sachen, die ich nicht leiden kann, sind "die da oben", die ständig alles daran setzen, uns das Leben schwer zu machen. "Die da oben", die keine Ahnung von der Realität des Lebens mehr haben. "Die da oben", auf die man einfach schimpfen kann, wenn einem sonst kein Schuldiger einfällt.

1360204874_dooffy_design_icons_EU_flags_GermanyMit "die da oben" sind normalerweise unsere gewählten Volksvertreter gemeint, so auch in diesem FlashBash-Post. Für solche Schmähreden (wobei diese im Vergleich zu den typischen Vertretern dieser Spezies schon ungewöhnlich fundiert war), habe ich normalerweise nur ein "dann lass Dich wählen und mach's besser" übrig.

In diesem Fall hat mein Kommentar tatsächlich zum nachdenken angeregt und schließlich zu einem weiteren Post geführt. Ein Post, den ich kommentieren wollte, aber schnell merkte, dass mein Kommentar mehr als lang genug für einen eigenen Post ausfallen würde.

Die letzte Bundestagswahl hat mir eines klar gemacht: Es gibt - und es fällt mir schwer, das zu sagen - derzeit keine Partei, die ich wirklich guten Gewissens wählen würde. Jede steht für dies und das, verspricht vor der Wahl eine Menge und danach... schauen wir mal. Aber auch die Wahlprogramme sind wie Bea's Diagnosen: Mit einem Teil bin ich absolut einverstanden und die andere Hälfte widerstrebt mir.

Eine einzige Ausnahme gibt es. Bei dieser Partei stimme ich zwar auch nicht mit allen Zielen überein, aber mit den meisten kann ich mich zumindest anfreunden. Viel wichtiger ist allerdings, dass sie alle ihre Entscheidungen transparent treffen und ausnahmslos jeder Anträge einreichen kann, über die öffentlich abgestimmt wird. So hat jedes Anliegen "des Volkes" die Möglichkeit, direkt in die Parlamente zu gelangen und im Gegenzug wissen die Abgeordneten immer, was der zur Zeit an anderer Stelle derzeit so vielbeschworenen Basis wirklich wichtig ist.

Die Rede ist von den Piraten - genau die Partei, die auch FlashBash als einzige in Erwägung zieht. Der Idee, es als parteiloser Kandidat zu versuchen, kann ich nichts abgewinnen. Erstens wäre ein erfolgreicher Wahlkampf ohne Parteiunterstützung eine ziemliche finanzielle Herausforderung und zweitens stehen Parteilosen im Bundestag so einige Dinge nicht offen, beispielsweise Ausschüsse oder einige Anfragerechte. Eine Partei, die 5% erreicht, hat allerdings automatisch Franktionsstatus - und damit alle Rechte und sogar die Möglichkeit der Regierungsbeteiligung. Spinnen wir einmal rum... hätten die Piraten nur 5% erreicht, gäbe es jetzt vermutlich schon eine CDU-Piraten-Koalition - immerhin wurden sie im Vorfeld von niemandem als nicht-koalitionsfähig bezeichnet.

Allerdings spielt sich das politische Leben nicht nur in den Parlamenten ab und so möchte ich - trotz meiner bestimmt nicht sehr ausgeprägten Fachkenntnis in diesem Bereich - auch versuchen, die anderen Fragen zu beantworten.

Gab es nicht schon viele vor mir, die genau das selbe gedacht haben?

Ja, gab es und gibt es. Diese teilen sich - meiner Meinung nach - in drei Lager: Die einen, die beim Meckern bleiben ohne wirklich etwas bewirken zu wollen. Die anderen, die aufhören zu meckern, weil sie keine Berechtigung dazu haben, wenn sie nicht wenigstens versuchen, etwas zu ändern und schließlich die (wenigen), die tatsächlich den Schritt in die Politik gewagt haben.

Wie viele von denen sind dann wirklich in die Politik gegangen und was ist aus ihnen geworden?

Nun, Zahlen habe ich natürlich nicht. Aber "in die Politik gehen" bedeutet nicht zwangsweise, in einem Parlament zu sitzen. Man kann auch einfach innerhalb der Partei aktiv werden und versuchen, sie mit seinem Abstimmungsverhalten und mit seiner Arbeit mit zu gestalten.

Wollen die Menschen so jemanden wie mich überhaupt?

Diese Frage ist mit Abstand die irrelevanteste. Das hört sich wenig demokratisch an, aber eigentlich ist es genau das. Ich habe längst aufgegeben, gegen Sachen anzukämpfen, die ich nicht ändern kann, sondern verwende meine begrenzte Zeit und Kraft lieber auf Dinge, die ich beeinflussen kann. Um gewählt zu werden, kann man versuchen, mit Argumenten zu überzeugen, kann einen guten Wahlkampf machen und sich voll einsetzen. Ob man am Ende sympatisch ist oder das Vertrauen der Wähler ausgesprochen bekommt, obliegt dem Entscheidungsprozess, der hinter jedem einzelnen Kreuzchen steht und das ist wohl eines dieser Dinge, die man am Ende nicht wirklich beeinflussen kann. Einfach gesagt: Wenn die Menschen so jemanden nicht wollen, wählen sie ihn nicht.

Kommt man aus der Politik wieder raus? Oder legt man sich da einen Stempel zu, den man nie wieder los wird?

Oh, man kommt da ganz schnell wieder raus. Einige gehen zurück in ihren alten Job, andere stehen gerade in Hannover vor Gericht und wieder andere beraten russische Ölkonzerne. Selbst diese höchsten Ämter stempeln einen nicht dauerhaft als "Politiker" ab und von den meisten Bundestagsabgeordneten hört man mit viel Glück alle paar Wochen mal etwas in den Medien, solange sie im Amt sind, aber wenn ich von unseren Wahlkreiskandidaten ausgehe meist noch nicht einmal das.

Wie lässt sich die Politik mit dem Beruf vereinbaren? Und mit der Familie? Habe ich eine Verantwortung gegenüber meinen Nächsten?

Das hängt ganz stark von der Art des Engagements ab. Unsere Stadträte arbeiten ehrenamtlich, jede 400-Euro-Kraft verdient mehr, als sie als Aufwandsentschädigung erhalten. Im Land- oder Bundstag sieht das natürlich ganz anders aus, "die da oben" haben genau genommen einen schlecht bezahlten Vollzeitjob. Sie bekommen zwar kein schlechtes Gehalt, aber die Arbeitszeiten sind schlimmer als die der meisten selbstständigen, zumindest bei denen, die ihren Job ernst nehmen.

Und muss ich jedes Wort, auch als Privatperson, auf die Goldwaage legen?

In Deutschland vermutlich nicht, in den USA sähe das vermutlich ganz anders aus. Hier darf man vor zehn Jahren einvernehmliche Beziehungen mit Minderjährigen als einer von vielen Punkten im Wahlprogramm unterstützen und trotzdem heute noch Bundesvorsitzender (oder etwas ähnliches) sein. Gut, man sollte keine Dienstmädchen in New Yorker Hotels vergewaltigen oder die Doktorarbeit mit dem Kopierer erstellen, aber das gilt auch für Menschen, nicht nur für Politiker. Im Gegensatz dazu kann jede dienstliche Entscheidung, die vollkommen legitim und logisch ist, einen Jahre später den Job kosten, weil sie sich als falsch herausgestellt hat. Das ist für "die da oben" ganz normal, damit leben sie jeden Tag.

Der Vorsatz, erst das Studium zu beenden, bevor eine politische Karriere in Frage kommt, ist absolut unterstützenswert. Allerdings beginnt eine politische Karriere nicht als Fulltimejob, sondern mit Interesse. Man kann sich durchaus auch neben dem Studium in einer Partei engagieren - oder auch ohne Partei politisch aktiv oder zumindest interessiert sein.

Eines jedoch kann man trotz Ausbildung, Studium oder Job in jedem Fall machen. Es kostet nur wenige Minuten und das auch nur alle paar Jahre: Wählen gehen! Ich mag jedem, der sich über Politiker beschwert, vorwerfen, selbst aktiv zu werden, aber wer nicht wählen geht, hat meiner Meinung nach jedes Recht auf "die da oben" zu meckern verwirkt.

 

5 Kommentare. Schreib was dazu

  1. Wow, da hast du ja außerordentlich ausführlich geantwortet. Ich danke dir erst einmal für den Denkanstoß im allgemeinen und auch den Schubs in die Richtung, das ganze nicht so lapidar und flapsig stehen zu lassen.

    Dass ich wählen gehe, ist für mich selbstverständlich, wenn ich das nicht tun würde, würde ich gepflegt die Fresse halten und mich um meinen eigenen Kram kümmern.

    Das Thema Piraten ist natürlich so eine Sache. Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, kann mich aber, wie du mit vielem anfreunden, und die Struktur finde ich an sich eine gute Idee. Leider merkt man aber auch, dass auch der direktdemokratische Weg nicht immer funktioniert.

    Politisch interessiert bin ich auf jeden Fall, ich weiß ja, dass mich das direkt oder indirekt betrifft und dass ich, um etwas zu ändern, auch teilnehmen muss, aber manchmal habe ich wirklich "Angst", auch 'so' zu werden. Zur Zeit ist die aktive Partizipation aber eben wegen des Studiums nicht möglich, weil ich mich da wirklich konzentrieren möchte, um mir meinen Start in das Berufsleben nicht zu versauen.

    Ich danke dir jedenfalls für den ausführlichen Kommentar und die dadurch angeregte Unterhaltung, ich werde deinen Beitrag noch ein bisschen sacken lassen, und dann vielleicht strukturierter und detaillierter darauf eingehen.

    Flashbash

  2. Warum nennst du "die da Oben" nicht einfach Politiker? Und das mit dem schlecht bezahlten Job lass ich nicht gelten. Es gibt da viele Berufsgruppen, die noch schlechter bezahlt werden, Krankenpfleger, Altenpfleger und und und. Auch diese haben unregelmäßige Arbeitszeiten, müssen im Notfall jederzeit erreichbar sein und bekommen dafür sehr wenig Geld. Politiker hingegen haben, wenn sie denn eine Gewisse Zeit aushalten, den Vorteil, dass sie ausgesorgt haben. Ihnen steht dann eine ordentliche Absicherung zu, mit welcher sie das Leben dann in vollen Zügen genießen können.

    Ja, die Zeit als Politiker ist anstrengend, aber das wusste jeder, der in die Politik gegangen ist und es wusste auch jeder, welche Verdienstmöglichkeiten gegeben sind. Und dennoch machen sie es, was daran liegt, dass sie ihren Job lieben, dass sie auch bis zu einem Gewissen Punkt die Macht lieben, die sie als Politiker haben.

    Vielleicht sollte man die Gehaltsdebatte mal anders angehen. Vielleicht sollte man sich nicht immer fragen, ob Politiker zu wenig Geld verdienen, sondern, ob Manager nicht einfach viel zu viel Geld verdienen. Naja, und der Vergleich mit den Selbstständigen hinkt auch ein wenig, denn es gibt durchaus welche, die auch rund um die Uhr erreichbar sind und die dennoch bedeutend weniger verdienen als die Politiker.

    Wo ich dir aber recht gebe, ist, dass jeder Wählen gehen sollte. Und wer keine Partei findet, die zu einem passt, der sollte sich selbst zur Wahl stellen, auch wenn das kaum Aussicht auf Erfolg hat. Aber, der Wähler beschränkt sich meist auf die sechs (sieben) großen Parteien. Es gibt nur wenige, die sich auch die restlichen Parteien ansehen, die zur Wahl stehen - es waren glaube 30 bei der letzten Wahl.

    • Sebastian

      "Die da oben" wird gerne für jeden benutzt, dem es auf den ersten Blick scheinbar besser geht, ob Manager, Arbeitgeber (wozu z.B. auch der kleine Ladenbesitzer um die Ecke zählt) oder eben Politiker.

      Sicherlich haben auch Pflegejobs unregelmäßige Arbeitszeiten, aber bei diesen Berufsgruppen ist es einfacher Schichtdienst und es gibt Urlaub, Krankenscheine und Kündigungsschutz. Klar geht es Politikern nicht schlecht, aber sie sind weder grandios bezahlt (vor allem bezogen auf den Stundenlohn), noch sind die Rahmenbedingungen sonderlich reinzvoll. Eine Altersvorsorge gibt es für beide Gruppen, das zählt also nicht.

      Ich fordere gar nicht "mehr Geld für Politiker" und die Diskussion um Managergehälter ist eine ganz andere. Selbstständige sind entweder chronisch pleite oder werden auch zu "die da oben" gezählt, weil sie ja "Millionenumsätze" machen. Wieder ein Thema, bei viele mitreden, aber nur wenige Ahnung haben, weil es einfach ist, dumme Sprüche zu rezitieren, als sich mit der Materie auseinanderzusetzen.

      Zum letzten Teil muss ich Dir Recht geben: Ich ziehe nur Parteien in die Auswahl, die auch eine realistische Chance auf den Parlamentseinzug haben. Allerdings sprechen die meisten Splitterparteien wie "Graue Panter", "PBC", "Tierschutzpartei" u.ä. auch inhaltlich nicht sonderlich an.

      • Svenhttp://meinungsschauspieler.de

        Der Unterschied bei der Altersvorsorge ist aber, dass die einen 8 Jahre durchhalten müssen, und dann eine anständige Altersvorsorge haben und die anderen 40 Jahre und dann ist es bei den meisten nur eine sehr geringe Rente, weil Pflegekräfte in Deutschland kaum Geld bekommen.

        Urlaub hat ein Politiker übrigens auch! Und bei den Rest kann ich dir nur bedingt Recht geben. Denn in unserer Gesellschaft wird viel häufiger auf die Schwächeren eingehauen als auf die Stärkeren. Sicher gibt es auch mal Debatten über die Gehälter von Managern, aber ich finde diese Debatten auch Richtig. Es geht dabei nicht um Neid, meinetwegen sollen die ihr Geld essen, aber es muss schon so sein, dass in unserer Gesellschaft jeder vernünftig Leben kann.

        • Sebastian

          Ich will ja nicht behaupten, dass es ihnen schlecht gehen würde. Urlaub hat ein Abgeordneter nur, solange es keine Sondersitzung gibt und so 100% Urlaub ist es auch nicht, denn in der Politik musst Du permanent auf jedes Wort achten, sonst wird es gegen Dich ausgelegt und Du verlierst im besten Falle Deinen Job (übrigens sofort, ohne Kündigungsfrist und ob es dann ALG-Anspruch gibt, weiß ich auch nicht).
          Ich finde diese Debatten falsch, weil sie meist vollkommen argumentbefreit ablaufen und neidgesteuert sind. Dann werden auch schnell Politiker, Unternehmer, Manager und andere scheinbar bessergestellte Minderheiten in einen Topf geworfen. Würdest Du wollen, dass Dein Gehalt öffentlich diskutiert wird, ohne dass sich dabei jemand von Tatsachen stören lässt?
          Um zum Ursprungsthema zurück zu kommen: Ich bin bestimmt nicht zufrieden mit vielem, was da in Berlin abgeht und Wulff & Konsorten sind wunderbare Beispiele, wie "die Politiker" zu ihrem Ruf kommen, aber trotzdem ist mir dieses unkontrollierte und wissensbefreite Politikerbashing einfach zuwieder.

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