Die neue Kollegin

Wenn man (Frau) am ersten Tag in der Firma gleich zum Meeting mit zwei Geschäftsführern gebeten wird und einem von beiden sogar noch positiv auffällt, kann nicht viel falsch gelaufen sein. Sich vom Kollegen den Handtaschenersatzkoffer tragen zu lassen, geht vielleicht auch noch in Ordnung, aber sich ihm am Ende an den Hals zu werfen?

Aber... was macht sie auf diesem Blog? Wird das etwa ein öffentlicher Seitensprung-Beicht-Post?

Nicht ganz. Zoe liegt mir seit langem in den Ohren, dass sie unbedingt mal mit zu meiner Arbeit kommen möchte. Mein Chef hatte nichts dagegen, aber da ich meist im Homeoffice sitze und wenn, dann meist ein paar Tage vor Ort in der Zentrale bin, gestaltete sich das bisher ziemlich schwierig. Diese Woche war aber eine Ausnahme: Ein einzelner Tag, vollgepackt mit verschiedenen Meetings, stand auf dem Plan - die perfekte Gelegenheit, um meine kleine Prinzessin glücklich zu machen.

Die Buchung unserer Bahnkarten stellte sich als unerwartet schwierig heraus. Normalerweise fahren Kinder kostenlos, wenn sie auf der Fahrkarte eines Erwachsenen mit eingetragen sind. Nein, jetzt kommt nicht ein "aber", sondern drei: Erstens nehme ich gerne den Sprinter, der mir eine Stunde Fahrtzeit spart, aber Zuschlagspflichtig ist. Diesen Sprinter-Zuschlag musste auch Zoe bezahlen. Zweitens fahren wir zwangsweise im "Berufsverkehr", reservierte Plätze sind also Pflicht, da die Züge immer voll sind. Drittens - und das eigentliche Problem - lässt das Firmenkundenportal der Bahn keine Buchung für Kinder zu! Ist in der Software einfach nicht vorgesehen.

Letztendlich habe ich zeitgleich in zwei Browserfenstern die gezielte Sitzplatzwahl genutzt, um für Zoe Zuschlag und Reservierung und für mich die Karte zu buchen. Immerhin hatte sie so auch ihre eigene Fahrkarte, die sie ganz stolz bei den Kontrollen vorzeigen konnte. Am Abend vorher wurde der Koffer für einen Tag Büro gepackt. Zoe wollte mitnehmen:

• Drei Katzen (eine davon zu dem Zeitpunkt noch mit Mama unterwegs)
• UNO und Filly-Memory
• Bürste und Haarreif
• Eine kleine Tüte Fruchtgummi und ein(!) Maoam
• Ein Dino-Pflaster (für den Fall, dass sie sich wehtut)

Am Ende kamen dann noch ein Verpflegung, Wechselwäsche, ein Malbuch, Stifte und ein Fotoapperat dazu, dafür musste sie sich auf eine Katze beschränken. Das (Arbeits-)Leben ist hart.

Bei rund acht Stunden Fahrtzeit war von Anfang an klar, dass der Tag sehr lang werden würde. Der Wecker klingelte wie jeden Morgen um halb sechs , damit wir den Zubringer nach Hannover um kurz vor sieben schaffen konnten. Ausnahmsweise kamen uns die obligatoritschen Verspätungen zugute: Der Zubringer war fast pünktlich (also knapp 5 Minuten zu spät) am Bahnhof und unser ICE kam auch etwa 5 Minuten verspätet - andersrum wäre es echt knapp geworden.

Im Büro angekommen, verstummte mein Kind. Alles war interessant, aber bitte nicht ohne Papa an der Hand! Es hat einige Zeit gedauert, bis ihr Selbstbewusstsein wieder durchkam und sie auch den Mund aufgemacht hat.

Das erste Meeting - immerhin anderthalb Stunden - hat sie mit zuschauen, malen und spielen verbracht, aber so lieb und leise, dass die meisten anderen Teilnehmer es kaum glauben konnten. Von einem kam noch der anerkennende Kommentar, dass seine Kids nicht so ruhig gewesen wären. :)

Nach der Mittagspause ging es weiter mit diversen kleineren Meetings, malen, ein seit Monaten unbenutztes Whiteboard wieder in Betrieb nehmen, bis sie schließlich während meines halbjährlichen Bewertungsgesprächs alleine eine Runde Scrum-Poker spielte, bevor sie mich für eine Partie Filly-Memory einspannte. Da Papa gerade damit beschäftigt war, seiner Bewertung der vergangenen sechs Monate zu lauschen, wurde kurzerhand meine Hand requiriert. Zoe führte sie zu einer Karte, die ich dann blind umdrehte, dann ging es zur nächsten Karte. Am Ende hatte ich meine Bewertung und immerhin ein Filly-Pärchen (gegenüber 15 Stück auf Zoe's Seite).

Auf dem Rückweg mussten wir in Frankfurt umsteigen und als Belohnung, weil sie den ganzen Tag brav war, gab es FastFood und unverschämt leckeres aber auch entsprechend bepreistes Eis. Bis Hannover war sie fit (mehr als Papa), erst im Zubringer zurück zu unserem kleinen Bahnhof kam die Müdigkeit durch und sie konnte die Augen kaum noch offen halten, obwohl wir nur eine Viertelstunde unterwegs waren. Zu Hause fiel sie gleich müde, aber glücklich ins Bett.

Fotos hat sie am Ende leider nur wenige gemacht und diese auch von sehr eigenwilligen Motiven, beispielsweise einer Katze bei 300km/h. Unsere Büroadresse kennt sie jetzt auch: Darmstadt, 4. Stock.