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Sind sie der Kindergartenunfall?

Wenn das eigene Kind anstatt wie sonst fröhlich auf einmal traurig aus dem Kindergarten kommt, ist ein wenig Kuscheln und eine Frage nach der Ursache selbstverständlich. Wenn dann eine ausweichende Antwort kommt, schrillen natürlich sofort alle elterlichen Alarmglocken - genau das wird Eltern doch immer wieder als ein Warnzeichen von Mißbrauch eingebleut.

Genau so - streng nach Lehrbuch - hat Zoe sich vorhin verhalten. Nach einigen vorsichtigen Fragen rückte sie dann aber doch mit dem Grund raus: Im Kindergarten hatte sie sich einen Zeigefinger umgeknickt und er tat weh. Der Finger wurde schnell nebensächlich, bis es nach dem Abendessen ins Bett gehen sollte. Beim Umziehen war plötzlich nicht mehr genug Ablenkung vorhanden - und plötzlich kullerten die Tränen über ihr Gesicht.

Auch das bei allen Arten von Verletzungen normalerweise helfende Kühlkissen brachte keine Besserung. Normalerweise lassen sich einschlaf-verzögerungs-Wehwehchen mit der Frage, ob wir sicherheitshalber ins Krankenhaus fahren sollen, sehr schnell kurieren. Dieses Mal - zum ersten Mal - wollte sie doch lieber zum Arzt als ins Bett und so fanden wir uns kurze Zeit später in der Notaufnahme von "Beas Krankenhaus" wieder.

In Zoes Welt gehört alles mögliche irgendwem. So hat sie >ihren< Flughafen und >ihre< Turnhalle. Im diesem Krankenhaus hatte Zoe einmal ihre große Schwester besucht - und seitdem ist es Beas Krankenhaus.

Mit Bea mussten wir selten warten, die Einlieferung mit Krankenwagen und Blaulicht hat ihr üblicherweise die sofortige Aufmerksamkeit der Notaufnahme gesichert. Wenn wir selbst hierher gefahren sind, ging es normalerweise um einen geplanten Aufenthalt, bei dem auch nicht die Notaufnahme zuständig war.

Fötchenfoto.jpgNun saßen wir hier mit Zoe und warteten - aber nicht als einzige. Einige andere Familien teilten das gleiche Schicksal und das zumeist still. Nur eine - anscheinend noch recht junge - Familie musste alle Anwesenden ziemlich lautstark mit ihrem Beziehungskrach unterhalten und dabei Wörter verwenden, bei denen sich mein krankes Kind trotz schmerzendem Finger noch bei mir beschwert, warum die denn solche Sachen sagen. So ungefähr stelle ich mir RTL-Fernsehen abseits der Formel1 vor. Grund des Streits war - falls das irgendjemanden interessiert - dass der "große" Sohn - etwa 3 Jahre - sich genau in dem Moment den Türstopper auf die Hand geschmissen hat, als Mama mit dem Auskochen der Fläschchen für das Baby beschäftigt war. Deswegen (auch wenn ich das aus eigener Erfahrung nicht nachvollziehen kann) sind beide ohne Fläschchen und Babynahrung losgezogen.

Einige Zeit (etwa ein Stunde) später waren wir alleine im Wartebereich, als sich ein blauer Eimer hereinschleppte. An selbigem hing ein sichtlich mitgenommener Junge, der vermutlich in Kürze die Zweistelligkeit erreicht. Zoe ging es wieder gut, ausreichend Androiden mit Spiele-Apps, ausliegende (total altmodisch analoge) Bücher und nicht zuletzt die ausnahmsweise-weil-sie-krank-ist-Fanta hatten längst wieder für genug Ablenkung vom kranken Finger gesorgt. Wenn es eine bildliche Darstellung von "sterbenselend" gibt, dann war dieser Junge ein perfektes Beispiel. Also kurz zur Aufnahmeschwester getiegert und angeboten, ihn vor zu lassen.

Von dieser kamen zunächst ein irritierter Blick und die Frage "Wer sind sie denn?". Der Name - natürlich Zoe's - half ihr nicht sonderlich weiter, erst der Hinweis auf den kaputten Finger brachte sie auf die richtige Spur. "Der Kindergartenunfall?" Namen sind Schall und Rauch, nur Diagnosen eignen sich anscheinend wirklich zur möglichst eindeutigen Zuordnung. Der Versuch einer guten Tat blieb dann auch ein Versuch - denn wir warteten (seit mittlerweile zwei Stunden) auf eine Knochenärztin (Zoes Definition), die gerade auf irgend einer Station etwas dringenderes als einen kaputten Finger verarzten musste.

Nach drei Stunden Wartezeit ging dann alles ganz schnell: Die Ärztin kam, entschuldigte sich sogar für die Wartezeit und begutachtet den mittlerweile auf fast doppelte Größe angeschwollenen Corpus Delicti. Eine tapfere Zoe beantwortet Fragen zum Unfallhergang und ob diese oder jene Stelle ihr weh tat. Das ersehnte Röntgenbild bekam sie nicht, dafür aber Salbe und einen dicken Verband. Keine Viertelstunde nach dem Untersuchungsbeginn waren wir auch schon wieder draußen. Der Eimerjunge saß nach der ersten Untersuchung und Soforthilfe wieder da, aber wenigstens war die RTL-Familie nicht wieder aufgetaucht.

 

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