So groß kann klein sein

Morgens haben wir nicht selten "Stress". Sei es anziehen, Frühstücken, Haare kämmen... wenn Zoe keine Lust hat, hat sie keine Lust. Aber es geht auch anders und der 9. April war so ein anderer Tag: Zoe ist gut drauf und alles geht wie von selbst.

Die meisten Blog-Posts veröffentliche ich sofort oder zeitnah. Selten, dass ein Post ein paar Tage auf sich warten lässt und fast nie bei Posts zu meinen Kindern. Zu diesen stehen auch einige private Dinge im Blog und genau aus diesem Grund veröffentliche ich diesen Post erst Monate nachdem ich ihn geschrieben habe. Hier steht, wo man Zoe potentiell alleine in der Öffentlichkeit erwischen könnte, wenn man den wollte und genau das gehört nicht ins Internet, bevor die Information veraltet ist. Genau das ist sie jetzt und deswegen kann ich den Post veröffentlichen.

Plötzlich lag mein Kind neben mir auf ihrem Bürostuhl, frühstückte und spielte dabei ein bisschen mit ihren Android-Apps. Natürlich ist das ganz schlechte Erziehung, aber immerhin waren keine Süßigkeiten, sondern Cornflakes, in der Schüssel und sie spielte mit einer Rechen-Lern-App. Heute früh gab es keine Diskussionen ums Anziehen und selbst die Haare waren schon gekämmt. So ruhig ist es selten.

Irgendwann sind die Cornflakes vollständig vernichtet und Zoe fragt nach dem Wetter. Davon ist abhängig, ob sie mit dem Fahrrad oder Auto zum Kiga fährt. Fürs Fliegen brauche ich das Flugwetter-Abo vom Deutschen Wetterdienst und dort gibt es auch eine Karte mit Regenradar, die sie selbst lesen kann: Sie weiß, wo wir sind und wie Regen in der Karte dargestellt wird.

Der letzte sichtbare Regen ist vor ein paar Stunden durchgezogen und so entscheidet sie sich fürs Fahrrad. Sie holt Helm, Jacke und Schuhe, zieht sich an, kommt wieder ins Büro. Papa bekommt ein "Tschüss-Küsschen" auf die Wange und letzte Anweisungen für das gewünschte Kiga-Frühstück - und weg ist sie.

Noch nicht ganz, denn ihr Fahrrad steht noch drin, aber das kann sie längst alleine rausbringen. Draußen stellt sie es ab, greift zur Zeitungsrolle und legt mir die Tageszeitung auf die Treppe. Eigentlich mache ich das immer selbst, wenn ich vom Kiga zurückkomme, aber manchmal macht sie es auch, ganz von alleine und ohne dass ich sie dazu aufgefordert hätte.

Vor meinem Bürofenster fährt ein rosa Wimpel vorbei. Ja, Zoe fährt alleine zum Kiga. Der liegt am Ende einer Tempo-30-Straße mit breitem Grünstreifen zwischen Fußweg und Straße. Letzten Sommer haben wir angefangen: Ich habe sie auf halber Strecke mit dem Fahrrad rausgelassen und sie durfte die letzen etwa 200 Meter alleine fahren - natürlich nicht unbeobachtet, aber trotzdem ohne dass ein Erwachsener neben ihr war.

Langsam haben wir die Strecke etwas erweitert und seit etwa Anfang dieses Jahres fährt sie bei gutem Wetter von Zeit zu Zeit ganz stolz alleine los. Entlang der Hauptstraße, über den Zebrastreifen, weiter entlang der Hauptstraße bis zum Kiga-Weg.

Anfangs habe ich sie natürlich unbemerkt beobachtet, aber sie hält brav an jeder Straße an und wartet, bis kein Auto mehr in Sichtweite ist - und wenn sie geschlagene fünf Minuten da steht und kein einziges Auto abbiegt. Ein Erwachsener hätte schon längst die Straße überquert, aber Zoe wartet brav.

Mittlerweile schleiche ich ihr nicht mehr hinterher. Ich warte ein paar Minuten, erfülle die Frühstücksbestellung und fahre dann hinterher, denn wenn sie nicht als erste beim Kiga ankommt, fließen die Krokodilstränchen.

Bin ich ein Rabenvater, weil mein Kind alleine zum Kiga und Nachmittags zurück fährt? Sie liebt es und ist superstolz auf sich.