RFID lauten die vier Buchstaben, die jeder engagierten Datenschützer in Panik verfallen lassen. xNT sind nur drei Buchstaben, aber durchaus geeignet, diese Panik noch zu steigern. Dabei geht es eigentlich um gar nichts Neues, sondern eine etablierte Technologie an einem tierisch bekannten, aber trotzdem sehr ungewöhnlichen Einsatzort.
Dabei geht es um einen einfachen RFID-Chip, wie er heute bereits vielfältig im Einsatz ist. Dieser Chip hat etwa die Größe eines Reiskorns (na gut, eher Basmati-Reis) und in die Hand implantiert. Hört sich aufwenig an, ist es aber nicht: Eine mehr oder weniger normale Spritze mit einer etwas größeren Kanülle reicht aus, um die Hand funktauglich zu machen. Ihre Energie erhalten RFID-Chips per Funk, sie brauchen keine Batterie oder Akkus und müssen nicht geladen werden.
Diese Technik wird bereits seit langem bei Tieren eingesetzt, um beispielsweise Hunde unsichtbar zu markieren und so auch Ausreißer ohne Halsband schnell ihrem Herrchen oder Frauchen wiederzubringen. Aber beim Menschen?
Amal Graffstra hat diesen menschentauglichen RFID-Chip entwickelt, der mittels NFC (Near-field-communication) ansprechbar ist. Durch den NFC-Standard gibt es fast endlose Einsatzmöglichkeiten: Als Türöffner, Autoschlüssel, Identifikation oder beispielsweise auch zum Bezahlen oder Austausch virtueller Visitenkarten.
Er selbst trägt schon seit 2005 einen Chip in seiner Hand - und kann seitdem keinen Schlüssel mehr verlieren oder das Passwort seines Smartphones vergessen. Wie magisch erkennt das Gerät seine Hand und schaltet den Bildschirmschoner ab:
Dangerous Things xNT Campaign Video from Amal Graafstra.
Der xNT-Chip gehört für mich zu den derzeit interessantesten Entwicklungen, auch wenn er eigentlich nichts Neues bringt. Der einzige Grund, nicht sofort einen vorzubestellen, ist unserer Haustür - denn diese ist nicht NFC-kompatibel, sondern basiert auf einer anderen Transpondertechnologie und damit wäre ein Großteil des (aktuellen) Nutzens des Chips dahin.
Aber wer weiß, wie sich die Zukunft entwickelt. NFC-Bezahlverfahren sind bereits seit einiger Zeit angekündigt. Vielleicht reicht bald schon ein "Handauflegen" am Bezahlterminal aus, um Plastikkarten und PIN überflüssig zu machen.
Medizinisch unbedenklich ist der Chip, aber nicht unbedingt datenschutztechnisch. Der Hand-Chip kann ganz einfach jederzeit ausgelesen werden, wenn das Lesegerät bis auf ein paar Zentimeter an die Hand herankommt. Ein Lesegerät in einem Treppengeländer oder Türgriff könnte ganz einfach dokumentieren, wann sich jemand wo aufgehalten hat. Um mal typisch datenschützerisch ganz extrem zu denken: Ein Arbeitgeber könnte den Türgriff der Toilettentür mit einem Leser ausstatten, um die Bedürfniszeiten der Mitarbeiter vom Gehalt abzuziehen.
Es gibt zwei Möglichkeiten, mit den Spionageenthüllungen von NSA & Co. umzugehen: In Panik verfallen oder es akzeptieren. Ich bin allerdings zum Cloud-Menschen geworden. Ich vertraue meine Daten hauptsächlich einem US-Großkonzern an, der von Werbung lebt, bin aber kaum interessant genug, damit sich jemand explizit für mich interessieren dürfte. Deswegen habe ich mich dagegen entschieden, völlig entrüstet zu tun, nur weil außer Facebook, Google und meiner Frau auch noch die NSA potentiell meine Daten mitlesen kann. Genau aus diesem Grund halte ich den xNT-Chip für eine tolle Erfindung.
Um den Chip samt Injektionssystem zu einem akzeptablen Preis anbieten zu können, sammeln Amal und seine Firma zur Zeit Geld via Crowdfounding. Ab $99 können Chip und Zubehör noch 21 Tage lang vorbestellt werden. Die Mindestsumme war übrigens schon nach einer Woche erreicht.
2 Kommentare. Schreib was dazu-
gedankenknick
27.11.2013 11:22
Antworten
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Ralf
27.11.2013 14:45
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"...bin aber kaum interessant genug, damit sich jemand explizit für mich interessieren dürfte..."
Das ist m.E. genau der EINE Denkfehler beim Datenschutz, der mit dem ZWEITEN ("...wer nichts verbricht hat auch nichts zu befürchten...") Hand in Hand geht. Das Problem liegt nicht (nur) in der Datensammelwut der Konzerne, und auch nicht in der "Auswertungswut betreffend individualisierter Werbung", auch wenn hier die Technik inzwischen nicht nur so weit ist, dass Computer auswerten, wie lange ich einen bestimmten Artikel in einem Regal anschaue, und das personalisiert wird über meine Handy-ID, welche ausgelesen wird (ist in London schon eingeführt) - um dann an einer anderen Stelle (z.B. an der Bushaltestelle) via Handy-ID-Auswertung Individualwerbung auf ein Display eingeblendet zu bekommen. Viel schlimmer ist, was für Missbrauchspotential erzeugt wird. Wie fälschungssicher ist der Chip? Wie kann man mir zusichern, dass nicht ein anderer mit meiner xNT-ID bezahlt - oder gar mittels Hinterlassen meiner xNT-ID ein Verbrechen an Dritte verübt? Wie kann ich in so einem Fall beweisen, dass ich es nicht war, weil ich ganmz woanders gewesen bin - wenn das Gericht das xNT-Verfahren als "fälschungssicher" ansieht und Gegenargumente deshalb nicht zulässt. (Der Hersteller sichert Fälschungssicherheit zu - deswegen kann nicht sein, was nicht sein darf!) An dieser Stelle sei mal an die EC-Karten-PIN erinnert, die ja nicht in Erfahrung zu bringen war, wenn der Eigentümer "sorgsam" mit ihr umgeht - was vielen Betrogegen viel Geld gekostet hat... bis, ja bis herauskam, dass Kriminelle die PIN direkt am Automaten abgriffen zusammen mit den Daten der EC-Karte, und somit einen kompletten EC-Zugang ohne Wissen oder Fehlverhalten des Bankkunden generieren konnten. (Alle Betroffene, deren Fall VOR dieser Erkenntnis behandelt wurde, haben übrigens in die Röhre geschaut.)
JEDER ist für die Überwachung interessant. Einerseits als Ziel "individualisierter Werbung". Andererseits als Ziel individueller Auswertung für Negativ-Bearbeitung. (Der Verkauf von Cash-Back-Daten an Versicherungen ist in den USA Gang und Gäbe. Kauft man viel Fleisch, wird die Krankenversicherung teurer. Usw.) Aber AUCH für die potentielle (Falsch-)Auswertung von (ewig) gespeicherten "Vorratsdaten" zur "Terrorbekämpfung". Die dann zur Einschränkung der individuellen Freiheit verwendet wird. (Das Bundesland Bayern hat gerade erst verkündet, dass die [illegale?] Autonummern-Überwachung GERADE der "Abschreckung von Bürgern zur Teilnahme an öffentlichen Demonstrationen" dient. DAS nenne ich Demokratie.)
Über Datenschutz nachzudenken lohnt sich wirklich. Und die wirkliche Frage ist, ob die Vorteile wirklich das Missbrauchspotential aufwiegen. Zumal der xNT keinen Schalter hat, mit dem ich ihn mal eben "abschalten" kann, wenn ich ihn einmal NICHT benutzen möchte...
Nutzung von RFID Technologie hat sicher ihre vorteile aber...
Das Problem ist das es immer schwerer wird nicht verfolgbar zu sein.
Ein Handy kann ich noch ausschalten.
Den neuen Personalausweis, Versichertenkarte kann ich noch daheimlassen.
Bei dem Ding brauch ich schon einen Metallhandschuh um mal "ein paar Minuten" unaufgezeichnet zu sein.
Mal sehen wie lange es dauert bis so ein Teil den Perso ersetzt und Pflicht wird. :-(