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Manchmal gibt es Chancen, die sich nicht wieder bieten. Man muss sie ergreifen oder lange darauf warten, dass sie sich wiederholen und ob es dann noch das Gleiche ist, weiß niemand vorher. So eine Chance haben wir gestern Abend genutzt.
Dabei ging es nicht um die Einladung zum Mittagessen bei Oma, die Zoe prompt zu einer Diskussion über die Essbarkeit ihrer Großmutter angeregt hat, sondern den danach kurzfristig angesetzten letzten Nachtflug in diesem Jahr.
Das Zeitfenster war bereits gestern sehr eng gesteckt: 20:31 Sonnenuntergang, damit beginnt ab 21:01 die Nacht und kurz darauf ist es dann wirklich dunkel. Um 22:00 Uhr macht das GAT am Flughafen Hannover die Tore dicht, danach wird ein Nachtzuschlag fällig - und den wollten wir vermeiden, falls möglich.
Nacht-Sichtflug erfolgt unter Leitung der normalen Radarlotsen die auch für IFR und Linienflugzeuge zuständig sind, mal eben einen kleine Runde um Hannover geht nicht (so einfach), die festgelegten Luftstraßen sind auch für uns erstmal verbindlich und unser Ab- und Anflug damit auf etwa 45 Minute angesetzt - nicht viel Spielraum.
Um etwa Viertel vor acht waren wir am Flughafen, bis dann der Hallenwart den Flieger vom Hanger auf die Tankstelle gebracht hatte, wir getankt hatten (yeah, irgendwie erwischt es immer uns :-( ), Kids eingepackt, Außencheck, Strecke nochmal durchgesprochen und wir endlich Hannover Rollkontrolle anfunken konnten, war es 21:00 Uhr, genau 15 Minuten nach der geplanten Zeit und damit exakt am Limit um den Flugplan nicht als "verspätet" melden zu müssen. Für Rollen auf die Landebahn, Motor Run-Up Check und Warten auf eine Germanwings-Maschine auf der Südbahn gingen nur rekordverdächtige 7 Minuten drauf und wir konnten in den Nachthimmel und die letzten Reste der Abenddämmerung starten.
Garbsen und Nienburg waren bereits hell erleuchtet - Flecken aus vielen kleinen orangegelben Lichtern in einem Meer aus Dunkelheit, anfangs noch mit einem großen schwarzen Fleck: Das Steinhuder Meer hob sich noch deutlich aus der Landschaft ab. Wir folgten der Abflugstrecke NIE 8S die uns kurz nach dem Start auf direktem Weg zum NIE VOR östlich der Stadt führte.
In der Nacht ist die Landschaft und atemberaubend, Orte, Städte und beleuchtete Straßen sind wunderbar iluminiert und mit ausreichend Ortskenntnis erkennbar, Autobahnen sind geschwungene Linien mit vielen vielen kleinen leuchtenden Punkte die sich in entgegengesetzte Richtungen bewegen, aber Bahnstrecken oder wenig genutzte Landstraßen sind nicht erkennbar - es sei denn, ein Zug bahnt sich gerade seinen schnurgeraden Weg durch das schwarze Meer. Einen Kilometer über dem Boden wirkt die Nachwelt da unten so friedlich und ruhig.
Nachtflug ist einfacher und schwieriger als normaler Sichtflug. Um Lufträume und Navigation kümmert sich der Lotse, ohne ihn - so scheint es - hätte man keine Chance, den Flughafen wiederzufinden. Kompass, Kursanzeiger, VOR-Empfänger und GPS sichern sich gegenseitig ab und machen größere Abweichungen von der vorgegebenen Strecke fast unmöglich. So bleibt genug Zeit, um das Flugzeug auf Kurs, Höhe und Geschwindigkeit zu halten, eine Aufgabe, die sich weitaus schwieriger darstellt als am Tage.
Alle Instrumente wollen überwacht werden, in etwa so wie ein Autofahrer seinen Tacho immer wieder kontrolliert - nur mit 6 Instrumenten gleichzeitig. Nicht den Überblick zu verlieren erfordert ein spezielles Training, genau dafür gibt es die Nachtflugausbildung, aber auch danach bleibt es anstrengend. Ein paar Minuten übernahm der Autopilot die Kontrolle, dieser muss zwar auch immer wieder kontrolliert werden, aber ich konnte so den Anflug auf Celle ein bisschen genießen.
Nachts und aus der Luft sehen alle Städte und Dörfer - abgesehen von ihrer Größe - gleich aus: Ein Wirrwar aus Lichtern, so als wäre ein Schwarm Glühwürmchen plötzlich eingefroren, nur unterteilt durch einige große Hauptverkehrsstraßen mit ihren wie an einer Perlenschnur aufgereihten Lichtern. Gelegentlich hangelt sich ein kleines bewegliches Licht entlang der Lichterkette, scheinbar rastlos und doch so langsam dem Ende entgegen strebend, nur um dort zu einer anderen Lichterkette zu wechseln, niemals ein Ziel erreichend.
Kurz vor Celle war der Ausblick für mich dann auch wieder zu Ende, denn jetzt wurden wir mit Radarvektoren zurück nach Hannover geführt. Das bedeutet klare Anweisungen bezüglich Kurs und Höhe und eine nochmal gesteigerte Arbeitsbelastung, denn neben den Anflug und "einfangen" des Lande-Leitstrahls mussten wir auf die vorgegebene Höhe sinken, dabei das Flugzeug auf eine vernünftige Anfluggeschwindigkeit bringen und die notwendigen Checklisten abarbeiten. Alles kein Problem, aber trotzdem konzentriertes Multitasking.
Schließlich war alles vorbereitet, der Flughafen in Sicht, die Maschine auf die gewünschten 80 Knoten (etwa 155 km/h) gebracht und wir "rutschten" auf dem ILS runter zur Landebahn. Kurz vor dem Aufsetzen endet dann alle Theorie: Den richten Zeitpunkt zum Abfangen zu finden, also den Moment, in dem die Nase hoch genommen werden muss um nicht das Vorderrad unangespitzt in die Piste zu bohren, muss man aus dem Gefühl finden. Nachts noch schwieriger, denn an Stelle der Landebahn ist nur ein Lichtermeer zu sehen und die Höhe nur sehr schwer einschätzbar. Selbst meine doch recht flugerfahrene Frau wunderte sich beim Aufsetzen, dass wir schon am Boden waren.
Schnell rollten wir zurück zum GAT und war wenige Minuten vor 22:00 Uhr am Auto - und damit noch rechtzeitig um der Spätschicht den Feierabend zu sichern.
Das war er also, unser letzter Nachtflug vor dem Herbst. Erst nach meinem Geburtstag wird die Sonne wieder so früh untergehen und dieses Schauspiel wieder ermöglichen. Zwei Ziele haben wir uns noch gesetzt: Einmal Osterfeuer aus der Luft sehen - die vielen Feuerchen außerhalb der Ortschaften müssen ein toller Anblick sein. Das zweite Ziel ist ein Silvester in der Luft, allerdings muss ich mich vorher noch genau erkundigen, wie hoch Feuerwerke in Deutschland gehen dürfen, das könnte sonst der erste Raketenabschuss eines Flugzeuges in Deutschland werden seit... gab es sowas jemals schon? :-)
Heute, Sonntag, war Faulenztag: Lange schlafen, spät und ausführlich frühstücken... aber da fing es wieder an: Bea sitzt erwartungsfroh am Tisch und als es dann endlich losgeht, zieht sie zickend in ihr Zimmer ab. Beruhigen kann man sie in solchen Momenten nicht, also versuchen wir es gar nicht erst (das endet sonst nur in fliegendem Geschirr, Besteck, Essen, einer weinenden Zoe und zwei genervten Eltern). Allerdings war diese Art der Frühstücksverweigerung in den letzten Wochen ein Vorbote eines schweren Anfalls.
Irgendwann kam sie wieder, hat zwei Eierkuchen (ja, ausnahmsweise heute weil wir durch den Oma- und Opa-Besuch gestern nicht dazu gekommen waren und Eierkuchen derzeit die beste Möglichkeit sind, große Mengen an Kalorien in sie rein zu bekommen) verputzt und alles war wieder in Ordnung, bis etwa zwischen dem gemeinsamen Vetter - Räikkönen - Boxenstopp und Rennende.
Sie stand in der Wohnzimmertür, ging, nein taumelte zwei, drei Schritte als wäre sie stockbetrunken und fiel um. Mama lief zum Kind, Papa zum Kühlschrank - dort muss das Diazepam gelagert werden und mir war schon ziemlich klar, dass es wieder so weit war. Medikament rein, Kind ruhig... soweit die Theorie, aber das Zeug wirkte nicht. Die scheinbare Sicherheit des Notfallmedikaments brach in Sekunden zusammen - mehr können wir nicht machen, selbst das Zeug ist verschreibungspflichtig, noch stärkeren Stoff haben wir nicht im Haus.
Nach ein paar endlos wirkenden Sekunden war ich kurz bei dem Gedanken, einen Notarzt zu rufen, allerdings war mir auch klar, dass die Geschichte so oder so vorbei wäre, bevor er eintrifft. Bei sonntäglich freien Straßen würde es vermutlich etwa 5-10 Minuten dauern, entweder wäre der Anfall bis dahin vorbei, oder... Meine Frau forderte eine weitere Dosis an - so schlimm die Anfälle auch sind, aber die Regelmäßigkeit der letzten Zeit hat ihr anscheinend sehr viel Sicherheit und Ruhe gegeben. Damals, bei Bea's allerersten schweren Anfällen war sie teilweise unentschlossen, unfähig eine Entscheidung zu treffen, jetzt setzte sie ihre medizinische Erfahrung ein um richtig zu reagieren.
Ich hatte gerade die Alu-Verpackung der letzten gekühlten Dosis aufgerissen, als die erste endlich wirkte und eine doppelte Gabe glücklicherweise überflüssig machte.
Bea schlief wie gewohnt ihren Rausch aus und war zum Abendessen wieder wach, aber dieser Vorfall war dennoch wieder mal erschrecken. Letztes Wochenende wäre sie "im Rythmus" gewesen, eine Woche länger Anfallsfreiheit war schon ein positives Zeichen und machte Hoffnung auf Besserung.
Vor ein paar Monaten habe ich mir noch die Frage gestellt, ob Bea's baldiger Umzug die richtige Entscheidung ist, mittlerweile bin ich (ziemlich) sicher, allerdings drängt sich jetzt die Frage auf, ob die Wohngruppe mit diesen Anfällen umgehen kann. Können die anderen Kinder die Anzeichen richtig interpretieren um so schnell wie möglich Hilfe zu holen? Können und wollen die Betreuer diese Art der medizinischen Notfallversorgung erbringen? Oder kommt Bea bald wieder zurück und die Suche geht von vorne los?
Zoe kann ich wieder mal nur loben, sie ist zwar zickig und macht selten nicht immer was Mama und Papa ihr sagen, aber in solchen Situationen ist auf sie Verlass. Erst ließ sie sich widerstandslos aufs Sofa schicken, denn der Anblick ihrer Schwester in diesem Zustand ist für ein kindliches Gemüt mit Sicherheit nicht unbedingt das Beste und danach hat sie Mama auf erste Aufforderung sofort die Box mit den Feuchttüchern geholt, so dass Papa in der Zwischenzeit eine frische Windel organisieren konnte.
Danach habe ich sie natürlich gelobt und in den Arm genommen, dabei hat sie nochmal geholfen, denn diese Momente geben einem Halt. Ich weiß nicht was passieren würde, wenn sie jetzt auch noch die gleichen Krankheiten ausbilden würde. Wahrscheinlich würden die neue, zusätzliche Belastung uns letztendlich sogar stärken - oder zusammenbrechen lassen.
9 Kommentare. Schreib was dazu-
Anika Kreth
23.04.2012 7:40
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Anika Kreth
23.04.2012 7:40
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Anika Kreth
23.04.2012 7:40
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Stephanie Borchers
23.04.2012 16:01
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Stephanie Borchers
23.04.2012 16:01
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Stephanie Borchers
23.04.2012 16:01
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Mamain Ausbildung
24.04.2012 22:10
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Mamain Ausbildung
24.04.2012 22:10
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Mamain Ausbildung
24.04.2012 22:10
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ich lese gerne Deinen Block:) bis auf das Ende war ja alles ok... mir ließ es Tränen in die Augen steigen... Und ich muß immer wieder sagen, daß ihr zwei echt tolle Eltern seit und ich den Hut vor Euch ziehe! !!
ich lese gerne Deinen Block:) bis auf das Ende war ja alles ok... mir ließ es Tränen in die Augen steigen... Und ich muß immer wieder sagen, daß ihr zwei echt tolle Eltern seit und ich den Hut vor Euch ziehe! !!
ich lese gerne Deinen Block:) bis auf das Ende war ja alles ok... mir ließ es Tränen in die Augen steigen... Und ich muß immer wieder sagen, daß ihr zwei echt tolle Eltern seit und ich den Hut vor Euch ziehe! !!
Das ist wohl wahr...
Das ist wohl wahr...
Das ist wohl wahr...
Wow..... sehr ergreifend!
Wow..... sehr ergreifend!
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