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Toggle - Mord, Intrigen und kein Sex

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Toggle ist der weltgrößte Internet - Konzern. Die beiden Firmengründer wollten nur eine innovative Suchmaschine entwickeln und sind vom Erfolg überrollt worden. Heute arbeiten über 25.000 Menschen weltweit für Toggle und der Konzern verdient mehr Geld als er trotz aller Anstrengungen ausgeben kann, dennoch könnten die beiden ihr Lebenswerk bald verlieren.

Nicht jeder der Angestellten weiß überhaupt für wen er arbeitet, einige haben sogar sehr ungewöhnliche Verträge in denen mitunter schon einmal ein gefüllter Kühlschrank vorkommen kann. Einzig ein Konzern könnte Toggle die Stirn bieten, aber Myface ist das soziale Netzwerk schlechthin und zeigt keinerlei Ambitionen, sich in andere Bereiche auszudehnen - oder will der junge Myface-Boss sich am Ende sogar Toggle einverleiben?

Wer jetzt an fortgesetzte Tippfehler denkt, liegt ziemlich daneben. Toggle ist der neuste Roman von Florian Felix Weyh, der für seine Werke schon zahlreiche Preise bekam. Der Titel und die Firmennamen der beiden Hauptakteure erinnern sehr stark an gewisse Internetfirmen der richtigen Welt - und das stört etwas. Die zahlreichen daraus entstehenden Wortschöpfungen sind zwar immer wieder lustig, aber ein bisschen mehr Fantasie und nicht ganz so offensichtliche Anlehnungen an die Vorbilder würden dem Roman meiner Meinung nach besser stehen.

Das Buch besteht eigentlich aus zwei Handlungssträngen, die zum Schluss - wie sollte es auch anders sein - zusammenlaufen. Wer das Montglane-Spiel (eines meiner Lieblingsbücher) mag, wird auch bei Toggle nicht enttäuscht werden. Der Hauptteil spielt in der Gegenwart: Die beiden Top-Leute der deutschen Toggle-Niederlassung könnten nicht gegensätzlicher sein, pflegen jedoch das, was einer Offline-Freundschaft in einer Online-Welt am nächsten kommt: Melissa und Dr. Nikolaus Holzwanger versuchen den Deutschland-Start eines der größten Toogle-Projekte zu retten, denn die Bundesregierung hat Einwände ohne die Aufkommende Bedrohung auch nur zu ahnen - wie denn auch wenn nur eine Hand voll Leute überhaupt in die näheren Details eingeweiht sind.

Wird es den Hauptfiguren gelingen, Toggle, das Internet und die gesamte westliche Welt zu retten? Wer treibt hier ein doppeltes Spiel, auf wen kann man sich verlassen und nicht zuletzt - wer überlebt das Ganze? Sind Pferde klüger als Frauen und wie kann der Gegenbeweis erbracht werden noch bevor die Theorie aufgestellt wird? Kann ein kleiner Junge der sein Leben in einem Luxushotel verbracht hat die Welt retten ohne es zu wissen? Dies und viele andere Fragen werde ich nicht beantworten.

Einige Fragen bleiben auch am Ende des Buches offen, hauptsächlich die nach der Hauptfigur, denn eine solche gibt es nicht wirklich. Verschiedene Personen die anfangs wie Nebenrollen wirken drängen in den Vordergrund, andere wichtige Personen treten erst nach der Hälfte der Geschichte in Erscheinung, aber insgesamt schadet dieses kleine Verwirrspiel dem Buch nicht, eher im Gegenteil. Der Roman spielt hauptsächlich in Deutschland und auch wenn es um US-Unternehmen geht, ist der Schauplatz dennoch richtig gewählt. Florian Felix Wey beschreibt die Handlungsorte detailverliebt und lässt keinen Zweifel, dass der Mittelpunkt der Welt in diesem Fall eben nicht in Amerika liegt.

Dennoch kann ich den Roman nicht kritiklos loben, auch wenn ich ihn ziemlich schnell verschlungen habe und immer wissen wollte, wie es weitergeht, sind viele Wendungen doch vorhersehbar. Am offensichtlichsten ist vielleicht die plötzliche Einführung eines Spielzeuges, was der neue Besitzer seit ein paar Wochen angeblich immer mit sich herum trägt, genau zwischen der gerade begonnenen intensiven Suche nach einem verschwundenen Gegenstand und einem glücklichen Zufall der selbigen in die Hände einer der gegnerischen Gruppen spielt.

Ken Follet schrieb über Die Spur der Füchse, dass es sein mit Abstand kompliziertester Roman sei, aber ich mag Geschichten deren unterschiedliche Vorfälle zum Schluss zu einem großen Ganzen werden, etwas, das Toggle noch fehlt. Es würde mit Sicherheit nicht schaden, den einen oder anderen Samen schon früh(er) zu säen, ihn zwischendurch als Nebenhandlung aufkeimen zu lassen und ihn plötzlich und unerwartet zu einem der zentralen Punkte der Geschichte werden zu lassen. Toggle ist der erste Roman von Florian Felix Weyh und liest sich für ein Erstlingswerk erstaunlich gut, ein bisschen Abstand zu den großen Meistern bleibt dennoch. Wenn er bei seinem nächsten Buch auch nur auf dem gleichen Niveau bleibt, werde ich es mit Sicherheit wieder genau so verschlingen.

Erschienen ist Toggle im Galiani Verlag, mein Exemplar wurde von BloggDeinBuch gesponsort, Du kannst Dein Exemplar natürlich auch beim - im Buch übrigens überhaupt nicht erwähnten - bekannten Gebührenkassierer mit dem großen A bestellen.

Beinahe hätte ich es vergessen: Das Buch ist eine echte Rarität. Während Ken Follet in jedem seiner Bücher fast identische Sex-Szenen unterbringen muss und auch Kathrine Neville im Montglane-Spiel und ihren anderen Büchern auch nicht darauf verzichtet (auch wenn sie von den plumpen Follet-Darstellungen weit entfernt ist), kommt Toggle ganz ohne Sex aus. Wer unbedingt ein paar schmierige Seiten braucht, muss sich leider ein eine andere Lektüre suchen, denn die einzige Affäre im ganzen Buch liegt bereits bei der ersten Erwähnung einige Wochen zurück und nur ihre zwischenmenschlichen Folgen fließen in die Geschichte ein. Schlimm ist das allerdings nicht, denn eine gute Story kommt auch ohne Über-18-Szenen aus.

 

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