Mädchen, Junge oder gesund?

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Hauptsache gesund - wer kennt diesen Spruch nicht. Jetzt mal ganz offiziell: Ich kann ihn nicht mehr hören! Es hat mich schon ziemlich Überwindung gekostet ihn hier zu schreiben und dann sogar zum Anfang des Posts.

Nochmal mache ich das nicht, zumindest nicht in diesem Post. Woher diese Abneigung kommt? Wirklich erklären kann ich das nicht, vielleicht ist es mein kleines persönliches Bea-Trauma, denn Bea ist Vieles - aber eben nicht gesund.

Sie war kein Wunschkind, denn ihre Mama, meine damalige Freundin, meine heutige Frau und ich waren erst sehr kurze Zeit zusammen. Also natürlich nicht in einer lockeren 4er Beziehung sondern schon zu zweit wobei "sie" alle drei Rollen in Personalunion einnimmt (wenn sie nicht gerade in fremden Gehirnen wühlt oder sich am Blut anderer Leute erfreut, aber wenigstens ersteres hat sie mittlerweile eingestellt).

Zurück zu Bea: Es gibt genug Verhütungsmethoden - ja, wissen wir - und diese sind auch sicher - ja, wissen wir auch - zumindest sind sie das fast immer und dieses "fast" ist eben Bea. Als wir dann so unerwartet und unvorbereitet schwanger waren (und ein Lister-Meile-Trauma hatten, aber das ist eine andere Geschichte) gab es viele wichtige Dinge, aber die Anzahl der X- und Y-Chromosomen gehörte - so weit ich mich erinnere - nicht dazu. Hauptsache ... - nein, eigentlich nicht, denn auch darüber haben wir uns in post-jugendlichem Leichtsinn auch keine Gedanken gemacht.

Wir haben uns irgendwann zwischen den Schwangerschaftstest-Strichen und dem 36 Stunden Geburtsmarathon Gedanken über Namen gemacht und recht schnell gemeinsame Entscheidungen für Mädchen- und Jungennamen getroffen. Ich wollte gerne Doppelnamen, weil "das Kind" dann später seinen Rufnamen wählen und sich im Falle von Antipathie für einen immernoch für den anderen Namen entscheiden kann und meine Frau hatte nichts dagegen.

Zu der Zeit steckte meine Frau mitten in der Ausbildung zur medizinischen Laborratte und wir waren selbstverständlich nicht verheiratet (ja, wir hatten Sex vor der Ehe, steinigt uns - oder glaubt einfach an eine unbefleckte Empfängnis entstanden nur aus der reinen, puren Liebe). Ihr Frauenarzt hat das gemacht, was Ärzte im Allgemeinen sehr gerne machen: Blut abgenommen und an irgend ein Labor geschickt. Sie würden nur anrufen, wenn irgend etwas nicht stimmt.

Eines Nachmittags klingelte das Telefon: Die Arztpraxis und... wie? Nur der Freund und Vater? Nicht der Ehemann? Nein, also da dürfen sie nichts sagen, gar nichts. Als meine Frau nach Hause kam war die Praxis nicht mehr besetzt und am nächsten Morgen stand eine Prüfung zum Staatsexam an, natürlich bevor die Praxis öffnet. Pausen sind dabei zwar erlaubt, aber natürlich nicht zum telefonieren.

Bei Laborprüfungen sind verschiedene Tische im Schul-Labor vorbereitet, jeder für eine andere Untersuchung und jeder Prüfling zieht eine Nummer. Die Nummer bestimmt den Arbeitsplatz und damit auch die durchzuführenden Untersuchungen. Meine Frau zog... Schwangerschaftsvorsorge! Perfekt passend zur aktuellen Gemütslage, denn da die Praxis angerufen hatte, musste irgend etwas sein. Bestanden hat sie trotzdem und nach der Prüfung erfahren... dass sie nur angerufen haben um zu sagen das alles in Ordnung ist. Wir hätten sie würgen können!

Hauptsache... - war kein Thema mehr für uns, einfach weil wir uns keine Gedanken darüber gemacht haben und als die zahlreichen Geburtshelfer im Krankenhaus dank ihrer jahrelangen Erfahrung in solchen Sachen nach der Geburt mit ziemlicher Sicherheit und professionellen medizinischen Methoden das Geschlecht bestimmt hatten, war unsere kleine Beatrice Kai auf der Welt und niemand konnte wissen wie "un-gesund" sie war (oder werden würde, wer weiß das schon).

Neben ihrer eigenen Krankengeschichte stand latent irgendwann die Frage im Raum, ob wir ein zweites Kind wollen. Eigentlich stimmt das nicht ganz, denn über diese Frage waren wir uns recht schnell einig, allerdings ebenso dass wir das Risiko eines weiteren behinderten Kindes nicht eingehen würden. Klingt hart, aber wer behauptet, jedes Leben wäre ein wichtiges Leben und lebenswert, der hat schlicht und einfach keine Ahnung von der Realität.

Eine Abtreibung wäre eine andere Frage gewesen - die wir glücklicherweise nie beantworten mussten - aber absichtlich ein auch nur 25%-Risikokind "anzusetzen" wäre uns nie in den Sinn gekommen. Dennoch verging viel Zeit, erst waren wir zu jung, dann hatten wir kein Geld, keinen Platz, nicht ausgewertet Gentests oder andere Ausreden. Als alle Gentests gerade mit an-Sicherheit-grenzender-Wahrscheinlichkeit einen Gendefekt bei Bea (und damit das Wiederholungsrisiko einer Behinderung) ausgeschlossen hatten, haben wir uns bewusst für "ein weiteres Kind" entschieden.

Trotzdem gab es noch unbewusste Ängste und es verging einige Zeit bis wir tatsächlich bewusst auf die kinderverhindernden Maßnahmen verzichtet haben und schließlich auch schwanger wurden.

In dieser Schwangerschaft stellte sich die blau-oder-rosa-Frage wieder nicht und wir wollten wieder keine diesbezügliche Prognose. Bea's Krankheit ist nach wie vor undefiniert, wir haben keinen Namen, keine Ursache und damit auch keine Nachweismöglichkeit, also liefen nur die üblichen Tests (und waren negativ, abgesehen vom Schwangerschaftstest der natürlich positiv war). Wieder suchten wir zwei Doppelnamen für beide erwartbaren Geschlechtsmöglichkeiten und wieder wurden wir recht schnell fündig.

Die andere Frage beschäftigte uns schon und vermutlich beide auch mehr als wir drüber gesprochen haben, was vermutlich auch gut war, denn sonst hätten uns die Ängste vermutlich noch mehr mitgenommen. Hauptsache... - war kein Thema, denn es ist ziemlich abgedroschen und einfach ein immer wieder wiederholter Spruch. Jeder der Bea kannte, kam damit an - ich konnte (und kann) es nicht mehr hören.

Was sollten wir denn machen wenn Zoe nicht "gesund" gewesen wäre? Sie im Krankehaus liegen lassen? Tut uns leid, wir hatten ein gesundes Kind bestellt und nach dem deutschen Fernabsatzgesetz (immerhin waren wir zur "Bestellung" nicht in der Klinik) haben wir zwei Wochen Rücksenderecht bei Nichtgefallen. Ob gesund oder nicht - hätten wir es erkennen können? Unwahrscheinlich während der Garantiezeit (sprich, in den ersten zwei Jahren).

Als Zoe ein paar Wochen alt war, haben wir sie zu Bea's Termin in der Uniklinik mitgenommen und dort ein EEG machen lassen. Warum? Keine Ahnung, wirklich nicht. Abgegeben hätten wir sie in keinem Fall, wir hätten uns nur auf das (möglicherweise) Kommende einstellen, zumindest aber die Behandlung früher beginnen lassen können. Das EEG war unauffällig und wir - mehr oder weniger - beruhigt, denn (auch so ein Spruch) die Hoffnung stirbt zuletzt.

Zoe ist - wenn man von den üblichen altersbedingten Wehwehchen wie Schwerhörigkeit und gelegentlicher Nahrungsaufnahmeverweigerung absieht - vollkommen gesund, ja sie hatte sogar schon eine Kinderkrankheit- ein vollkommen neues Erlebnis für uns, denn Bea hatte entweder maximal eine leichte Erkältung oder etwas Krankenhausreifes. Masern, Mumps, Röteln? Nö, mit so langweiligem Standard geben wir uns nicht ab, vermutlich wurden die Bakterien einfach durch die Medikamentenkonzentration in ihrem Blutkreislauf abgeschreckt.

Jetzt muss natürlich zwangsweise die Frage nach einer dritten Vermehrung unsererseits kommen. Ich weiß es nicht, wirklich nicht und dieses Mal möchte ich mich an die 100%-gesund-Zoe-Quote und nicht an die 0%-gesund-Bea-Quote klammern, auch wenn es rechnerisch 50% wären. Wir sind unschlüssig und das aus verschiedenen Gründen, die alle mehr oder weniger nachvollziehbar sind. Einige mehr, andere weniger, aber das ist - wenn überhaupt öffentlichkeitsgeeignet - Stoff für einen anderen Blog-Post.

Fehlt nur noch die Einleitung, denn von selbst komme ich einfach so nicht auf so ein Thema: Testmama hat es uns aufgezwungen und nachdem ich meinen guten Vorsatz, jedes Mal bei der Blogparade mitzuschreiben, bisher konsequent gebrochen habe, wollte ich wenigstens bei diesem Thema noch einsteigen. Schreiben wollte ich schon seit etwa zwei Wochen und erst jetzt - im Zug auf dem Weg von der YAPC zurück nach Hause - habe ich wirklich die TUITS gefunden es zu tun (und das obwohl ich dieses Mal gar keine TUITS mitgenommen bzw. bekommen habe).

Ein zusätzliches Argument für diesen Beitrag waren die Gewinne diese Woche: Der Gewinner stand bereits vor Start dieser Runde fest und zwar ist es das Kinderhospiz Löwenherz in Syke, das für jeden Beitrag eine Spende vom Sponsor Sparlingo.de bekommt. Wenn dieser Post nur ein kleiner weiterer Anreiz für Kerstin ist, diese Runden, in denen Gewinnfetischisten mit Minibeiträgen keine Chance haben, öfters zu veranstalten, dann hat er seinen Zweck erfüllt.